Der Begriff “Klassisch” in “Klassische Homöopathie”

Was bedeutet der Zusatz „Klassisch“ in dem Begriff „Klassische Homöopathie“?

 

Die Klassische Homöopathie bezieht sich direkt auf ihren Begründer Samuel Hahnemann und ist eine energetische Individualtherapie mit Einzelmitteln unter Berücksichtigung der chronischen Miasmen und dem Verabreichen von Hochpotenzen (i. d. R. LM- bzw. Q-Potenzen). Der Mensch wird immer als Ganzes gesehen und therapiert. Dies gilt ganz besonders bei chronischen Erkrankungen, bei welchen immer eine recht aufwendige, ca. 2-stündige Lebensanamnese erforderlich ist, um das richtige Simile – das ähnliche Mittel – für den Beginn einer chronischen Kur bzw. im Verlaufe einer chronischen Behandlung zu ermitteln. Krankheitsnamen, so wie sie die Schulmedizin sieht, spielen nur eine untergeordnete Rolle und sind im Prinzip eine viel zu grobe Klassifizierung.

 

Akute Krankheiten

Die Basis für die Homöopathie ist das richtige Simile! Das bedeutet für den Behandler einen recht großen Aufwand und viel Aufmerksamkeit. Bei akuten Krankheiten läuft dies verhältnismäßig überschaubar ab; hier werden alle Veränderungen seit Bestehen der Krankheit eruiert und für die Arzneimittelbestimmung herangezogen. Dabei sind selbstverständlich nicht alle Symptome als gleichwertig zu betrachten! Es gibt immer eine strenge Hierarchisierung, die in jedem individuellen Fall vom Therapeuten zu erkennen ist! So spielen etwaige Krankheitauslöser – wie eine Verkühlung, Durchnässung, Luftzug, Ärger, Schreck, Überanstrengung oder etwa eine Unterdrückung durch schwere Medikamente – eine zentrale Rolle. Die Aufgabe des Homöotherapeuten besteht nun darin, dasjenige Mittel zu bestimmen, das in seinen charakteristischen Symptomen dem Wesen der Krankheit am nächsten kommt, die Idee der Krankheit also erfaßt. Nur dieses Mittel wird die Krankheit in kurzer Zeit zurücknehmen können.

Eine erste Wirkung des homöopathischen Arzneimittels ist innerhalb sehr kurzer Zeit, nach circa ein bis zwei Stunden, häufig sogar noch schneller, zu erwarten. Ist dies nicht der Fall, so war es das falsche Mittel.

 

Chronische Krankheiten

Etwas anders verhält es sich bei einer chronischen Behandlung. Hier ist ein erhebliches Maß an Mehraufwand zu treiben, um die Idee der Krankheit aufzuspüren. Alle Krankheiten und Symptome, welche der Patient im Verlaufe seines langen Lebens hatte oder noch hat, spielen hier eine große Rolle. – Damit nicht genug! Sogar die Krankheiten der gesamten Blutsverwandschaft gehen mit in die auszuwertenden Daten ein! Die Tuberkulose der Großmutter oder der an Lungenentzündung verstorbene Vater sind von großer Wichtigkeit! Dies ist einmalig in der Welt der Medizin und gilt für keine andere Behandlungsform! Oft ist aufgrund der familiären Prädisposition schon eine ganz bestimmte Therapierichtung zu erkennen.

Das ist ein Unterschied! Dieser wird sogar für den Patienten sichtbar. Der andere wesentliche Unterschied liegt darin, daß sämtliche Symptome nicht unbedingt in ihrer Gesamtheit auf einmal zu sehen sind, sondern „abgestuft“ auf der Basis der zugrunde liegenden Miasmen bewertet werden müssen! – Was bedeutet dies nun?


Hahnemann hat in seinem jahrelangen Bestreben, die Wahrheit zu finden, entdeckt, daß sich alle chronischen Krankheiten auf vier (heute fünf) chronische Grundkrankheiten, die sogenannten Miasmen, zurückführen lassen. Sie sind der Schlüssel zu allem chronischen Leiden und damit auch zur erfolgreichen Therapie und zur Heilung!

Es würde an dieser Stelle den Rahmen einer Begriffserläuterung sprengen, allzu tief in diese Gesetzmäßigkeiten einzusteigen. – Genaueres hierzu siehe in den drei Büchern
”Sanfte Medizin - Die Heilkunst des Wassermannzeitalters” und ”Klassische Homöopathie für die junge Familie” (zwei Bände) von Dr.-Ing. Joachim-F. Grätz! – Nur soviel sei gesagt, daß es zwei venerische Miasmen gibt (zum einen das syphilitische Miasma und zum anderen die chronische Gonorrhoe bzw. Feigwarzenkrankheit, wie sie Hahnemann nannte, die sog. Sykosis), des weiteren ein nicht-venerisches (Hahnemanns erstes Miasma, die Psora, das „innere Krätze-Siechtum“, ein von ihm gewählter Begriff für sämtliche Folgen von Unterdrückung und funktionellen Störungen), sowie ein „kombiniertes“ (die sog. Tuberkulinie, bestehend aus aktiver Psora und latenter „Syphilis“, definiert und beschrieben von John Herny Allen) und schließlich das sog. Arzneimittelmiasma. Die Psora wird schon allein durch Hautkontakt übertragen und hat einen fest umrissenen Charakter, wie die übrigen vier Miasmen auch, ist aber – im Gegensatz zu jenen – das Grundübel schlechthin. – Am Anfang war die Psora!

Die Miasmen können sich untereinander verbinden und zu einer schwer trennbaren Einheit verschmelzen. Sie haben das Bestreben, die Lebenskraft für ihre eigenen zerstörerischen Absichten zu mißbrauchen. Aus eigenem Antrieb kann sich diese nicht aus deren Unterjochung befreien! Chronische Krankheiten haben niemals die Tendenz, von selbst zu heilen (akute Krankheiten indessen immer!). Sie sind immer gegenwärtig und schreiten ständig weiter fort, häufig schleichend und mit vielen latenten – nicht in Erscheinung tretenden – Phasen. Das Ende ist erst der Tod.

Schauen wir uns die Menschen unserer heutigen älteren Generationen an! Sie alle haben zwar eine höhere Lebenserwartung, „sterben aber dafür länger“! Häufig 20 bis 30 Jahre lang! Und dann unsere Kinder und Kindeskinder! Allergien sind bei ihnen an der Tagesordnung! Neurodermitis, Asthma und ständige Erkältungsneigung! – Dies ist alles nur auf der Basis der miasmatischen Belastung der Blutsverwandschaft zu verstehen! Und anders kann man derartige Fälle auch nicht bleibend heilen! Die Ursache ist stets zu erfassen – und zwar die ursächlichste Ursache!

Chronische Krankheiten sind immer unter der miasmatischen Belastung zu beurteilen! Dabei spielen die zugrunde liegenden Miasmen des Patienten eine große Rolle, aber auch die seiner gesamten Blutsverwandtschaft! Darüber hinaus ist vom Homöotherapeuten festzustellen, welches Miasma derzeit aktiv ist und darum zuerst behandelt werden muß. Nur diejenigen Symptome, welche für dieses Miasma relevant sind, können für diesen Schritt der Therapie herangezogen werden. Das Simile basiert also immer auf dem aktiven Miasma. Die anderen Symptome werden zeitweilig zurückgestellt!

Im Verlauf der chronischen Kur kommt es in der Regel zu Miasmenwechseln – das zuvor akute Miasma tritt zurück und ein anderes erhebt sein Haupt –, da unsere heutigen Patienten in den seltensten Fällen einmiasmatisch sind. Dann ist es selbstverständlich an der Zeit, auch das Arzneimittel zu wechseln.

 

Die Rezeptur

In der Homöotherapie ist der Patient immer aufgerufen, aktiv mitzuwirken! Ohne sein Dazutun geht gar nichts!

Zunächst muß er in einem langen Anamnesegespräch „die Karten auf den Tisch legen“. Nicht nur die jetzigen Leiden sind von Interesse, sondern auch seine früheren! Es ist von äußerster Wichtigkeit, zu erfahren, ob in der Familie etwaige sog. Geschlechtskrankheiten vorgekommen sind oder ob der Patient selber einmal die eine oder andere gehabt hat. Auch den Intimpartnern ist hierbei die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken, denn – zwei der chronischen Grundkrankheiten sind ja venerischer Natur!

Wird etwas verheimlicht, macht der Patient unrichtige Angaben, so ist die Therapie von vornherein zum Scheitern verurteilt! Homöopathie ist nämlich eine kausale Behandlung! Geht man an den eigentlichen Ursachen vorbei, so wirken auch keinerlei „Potenzen“, also keine Homöopathika (obwohl das hier der falsche Begriff ist, denn eine Arznei ist erst dann homöopathisch, wenn sie „paßt“, also ähnlich ist [homoios – ähnlich, pathos – Leiden] ).

Die Arzneimittelwahl wird durch die Berücksichtigung verschiedenster Gegebenheiten erleichtert, wie z. B. durch Leitsymptome, Modalitäten, konstitutionelle Faktoren, geistig-seelische Auffälligkeiten, vorherrschende Stimmungslagen, bevorzugtes Organ- und Körpergewebe, auslösende Ursachen, Als-ob-Symptome, paradoxe Symptome und Ähnliches mehr.

Alles in allem läßt sich der Patient also vom Homöotherapeuten etwa zwei Stunden befragen. Dieser notiert fein säuberlich alles, was der Patient zu sagen hat und versucht eine Ordnung in das chronische Geschehen zu bringen. Des weiteren werden sehr umfangreiche Fragebögen zu Hause auszufüllen sein, welche zusammen mit den Aufzeichnungen des Anamnesegesprächs die Basis für die Auswertung und damit für die erste Arzneimittelverschreibung bilden.

Dies alles zusammengenommen erfordert, je nach Fall, für den Therapeuten einen erheblichen Aufwand an Arbeit (etwa vier bis sieben Stunden, je nach Alter und Beschwerden des Patienten)!

 

Die Folgeverschreibung

Während der Einnahme des homöopathischen Arzneimittels ist der Patient dazu angehalten, sich weiterhin genau zu beobachten. Bei einer homöopathischen Kur tut sich nämlich einiges! Manche Symptome werden sich unter dem applizierten Homöopathikum verbessern, andere dagegen u. U. verschlimmern.

Häufig betrifft eine vorübergehende Verschlimmerung auch gerade das Leiden, dessentwegen der Patient in die Behandlung gekommen ist. Aber er kann nun auf einmal wieder gut schlafen! Oder – es friert und fröstelt ihn nicht mehr! – Dies sind ganz wichtige Dinge, die den Weg der Heilung einleiten! Es tut sich etwas im tiefsten Inneren des Organismus! Wer dies übersieht, versteht nichts von Therapie, geschweige denn von Krankheit und echter Heilung!

Heilung erfolgt immer von oben nach unten und/oder von innen nach außen und/oder durch Verschwinden der Symptome in der umgekehrten Reihenfolge ihres Auftretens. Der Heilungsprozeß ist ein rückwärts schreitender Prozeß, ein Rückschreiten auf altbegangenen Wegen – ein retrograder Prozeß. (Heringsche Regel)

Alle Veränderungen müssen vom Patienten sorgfältig beobachtet und protokolliert werden. Sie bilden zusammen mit den Ausgangsdaten der Großanamnese die Basis für die Zweitverschreibung. Diese ist dann allerdings meist nicht mehr so zeitaufwendig wie die Erstverschreibung. Der Löwenanteil der Daten und die Idee des Falles liegen ja bereits vor! Man muß jetzt „nur noch“ die notwendige Zeit aufbringen und die Lebenskraft mit den richtigen Homöopathika unterstützen, die Krankheitsprozesse schrittweise zurückzunehmen. Dieser Prozeß kann allerdings mehrere Monate bis zu mehreren Jahren dauern, je nach Vitalität des Organismus, je nach Krankheitsfall, je nach Vorbehandlung, je nach Familienbelastung. Bei richtiger Mittelwahl werden die Symptome jedoch von Tag zu Tag weniger. – Jeder Organismus ist einmalig! Keiner ist so wie der andere! Deshalb auch diese individuelle Therapie! Streng nach dem Gesetz!

Für chronische Geschehen ist also ein recht großer Aufwand zu treiben, der sich aber, wie die tägliche Praxis zeigt, lohnt. Der Patient braucht während der Einnahme eines Mittels den Therapeuten nicht aufzusuchen, falls es nicht Unklarheiten zu besprechen gibt. Erst nach circa drei bis vier Monaten, nach Beendigung des Homöopathikums, wird eine Durchsprache des Verlaufs der Kur und der Symptomenbildveränderungen notwendig, welche Basis für die nächste Verschreibung ist.

 

„Bastard-Homöopathie“ – Klassische Homöopathie

Schon zu Hahnemanns Zeiten haben jedoch viele Mediziner versucht, diesen großen Aufwand zur richtigen Simile-Wahl zu umgehen. Zum einen, weil sie noch der alten Schule der Lokalläsionen verfallen waren und das Naturgesetz von Leben, Lebenskraft und Krankheiten – alles energetische Entitäten – nicht verstanden hatten, und zum anderen, weil es viel bequemer war, nach „Kochrezepten“ wie bisher zu arbeiten und so ein Vielfaches an Zeit zu sparen. Darüber hinaus konnten auch viele Mediziner (sowie Homöopathen) die Miasmenlehre von Hahnemann, das Kernstück allen chronischen Übels und der daraus abgeleiteten Therapie, für sich nicht nachvollziehen. Sie alle haben dann lieber mit Tiefpotenzen („Da ist ja wenigstens noch manchmal ein Molekül drin!“) nach den alten Prinzipien rezeptiert und ihre Mittel nach lokalen Körperläsionen und Krankheitsnamen verschrieben. In unserer heutigen Zeit gehen die Bestrebungen zur Vereinfachung der Homöopathie sogar soweit, die homöopathischen Arzneimittel bioenergetisch auszutesten ohne aufwendige Erst- und/oder Folgeanamnesen und ohne fundiertes Wissen um die einzelnen homöopathischen Mittel und deren miasmatische Zusammenhänge, was – besonders im Falle von chronischen Erkrankungen – so nicht funktionieren kann und eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das Wohl des einzelnen und dessen Heilbarkeit in sich birgt.

Der größte Teil der homöopathischen Behandlung ist also, ebenso wie die der regulären Schule, palliativer Art – d. h. nur lindernd und nicht heilend! Der Grund ist der Mangel an Wissen über die chronischen Miasmen! – Es gibt zur Zeit, wie auch schon früher, viel zu wenig echte „Klassischer Homöopathen“!

Oft werden heutzutage auch Komplexmittel verabreicht – das sind zusammengemischte homöopathische Einzelmittel, welche alle einen besonderen Bezug zu einem bestimmten Organ haben –, in der Hoffnung, irgend eine Substanz werde den Fall schon heilen. So werden beispielsweise Komplexe für den Magen-Darmtrakt empfohlen, für den Atmungstrakt und so weiter.

Auch dieses „Schrotschußverfahren“ ist sehr verwerflich, da man an den Kern der Krankheitsursache nicht herankommt! Da werden häufig Mittel miteinander vermischt, die sich zusammen überhaupt nicht vertragen, ja sich gegenseitig stark beeinflussen oder sogar ausschließen! Des weiteren werden Hochpotenzen und Tiefpotenzen wild kombiniert und tiefgreifende chronische antimiasmatische Mittel mit oberflächlich wirkenden akuten Mitteln durcheinandergebracht! Daß dabei unheilbare Fälle oder zumindest häufig sehr schwer zu heilende Fälle produziert werden, ist nur den „Klassisch“ arbeitenden Therapeuten klar. Sie erleben dies immer wieder in der Sprechstunde. Diese Methode ist deshalb genau so verwerflich wie der schnelle Griff zu Antibiotika oder Cortison!

Schon
Hahnemann ging seinerzeit mit derartigen „Auswüchsen“ nicht gerade zimperlich um und nannte dies „Bastard-Homöopathie“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich deshalb die wirklich echt homöopathisch arbeitenden Ärzte und Heilpraktiker den Zusatz „Klassisch“ zugelegt, um diesen gewaltigen Unterschied deutlich zu machen.

Er allein betreibt echte Homöopathie nach Hahnemann – eine kausale Behandlungsmethode. Oder besser gesagt, er bekennt sich zu dieser Weltanschauung; denn diese Gesetzmäßigkeiten lassen sich nicht einfach leugnen. – Leider sind die Begriffe „Homöopathie“ und „Klassische Homöopathie“ bislang nicht geschützt.




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